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Hans Bieri war 12 Jahre lang als Vertreter des SEV im Verwaltungsrat der SBB

«Man muss mit der Rolle leben, die man hat»

Seit die SBB AG gegründet wurde, war Hans Bieri als Vertreter des SEV im Verwaltungsrat des Bahnunternehmens. Nach seinem Rücktritt infolge Amtszeitbeschränkung ist es Zeit für einen Rückblick: Bringen solche «Personalvertreter» dem Personal auch wirklich etwas? Oder besteht die Gefahr, dass sie instrumentalisiert werden?

Hans Bieri in seinem Büro im SEV-Zentralsekretariat. Es ist geschmückt mit Erinnerungen an Gewerkschaftserfolge – und mit YB-Memorabilien!

kontakt.sev: Hans, wenn du auf deine Tätigkeit als Verwaltungsrat der SBB zurückschaust – was ist dein Eindruck, deine Einschätzung?

Hans Bieri: Für mich persönlich war es eine sehr bereichernde Zeit, die mir viele Türen aufgemacht hat. Ich habe Dinge gesehen und erfahren, in die ich ohne dieses Amt nie Einblick gehabt hätte.

Im Verwaltungsrat hat man sich zuerst etwas beschnuppert, dann entwickelte sich aus der Auseinandersetzung eine konstruktive Zusammenarbeit. Als einer von zwei Personalvertretern in einem neunköpfigen Gremium war ich zwar nicht unbedingt ein Querdenker, aber ich konnte doch von einem andern Ort her in die Diskussionen einsteigen. Meine Bilanz ist deshalb im Ganzen gesehen durchaus positiv.

War deine Rolle denn nicht, wie manchmal gesagt wird, die des «nützlichen Idioten»?

Als wir 1998 mit der Arbeit anfingen, waren alles Neulinge. Ich war voll akzeptiert. Während meiner ganzen Verwaltungsratszeit ging ich nie in den Ausstand. Als einziger Verwaltungsrat hatte ich Bahn-Erfahrung, was mir sogar eine gewisse Sonderstellung verschaffte. Yvette Jaggi war – als zweite Vertreterin des Personals – die einzige Politikerin im Gremium und konnte ihr Spezialwissen einbringen. Die Entscheide wurden meistens veröffentlicht, ohne dass ein Stimmverhältnis bekannt gegeben wurde. Ich war eingebunden, dadurch aber auch geschützt. Letztlich muss man mit der Rolle leben, die man hat.

Bio

Hans «Housi» Bieri ist 57-jährig, er wuchs in Weissenburg im Simmental in einer Eisenbahnerfamilie auf.

Nach der Schule machte er eine Lehre als Elektromechaniker im Zeughaus Zweisimmen, arbeitete dann in Genf und kam als Monteur durch ganz Europa. Von 1980 bis 1989 arbeitete er bei der BLS in Spiez als Spezialmonteur im Sicherheitswesen.

Seit 1989 ist er Verbandssekretär beim SEV; im Moment ist er vor allem für Privatbahnsektionen und für Angestellte im Tourismusbereich tätig.

Als Gewerkschafter war Hans Bieri u. a. Präsident VPT BLS, im Verbandsvorstand im Zentralausschuss VPT und in verschiedenen Funktionen in den Gewerkschaftsbünden Spiez, Berner Oberland, Bern (von 2002 bis 2006 Präsident) und im Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Neben politischer Arbeit auf Gemeindeebene war er von 2000 bis 2010 Mitglied des Grossen Rates des Kantons Bern.

Als Mitglied der SP arbeitete er u. a. als Präsident der SP Spiez, als Präsident des SP-Amtsverbandes Niedersimmental, als Delegierter der SP des Kantons Bern und als Mitglied des Redaktionsteams der «Roten SPinne« (Mitgliederzeitung der SP Kanton Bern) und im Fachausschuss Verkehr der SP. Ausserdem ist er in Vereinen (u. a. VCS) tätig.

Bieri ist verheiratet, Vater von drei (erwachsenen) Kindern und lebt in Spiez.

Gab es also keine Ausgrenzung oder keinen Versuch dazu?

Natürlich musste man sich seinen Platz immer wieder erkämpfen, Versuche gab es schon, etwa bei neu gewählten Verwaltungsräten. Aber auch SEV-intern war es manchmal ein schwieriger Prozess, manche wollten Druck ausüben. Im Verwaltungsrat hatten wir immer einen recht langen Vorlauf. Ich musste mir immer überlegen: «Was ist hier möglich?» Ein SBBVerwaltungsrat muss die Gewerkschaftssicht ins strategische Organ einbringen, die Gewerkschaftssekretäre müssen dann die konkrete Umsetzung verhandeln. Das sind zwei verschiedene Aufgaben.

Im letzten Jahrzehnt ist das SBB-Personalwesen sehr viel professioneller geworden. Entsprechend müssen wir von der Gewerkschaft unsere Leute schulen. Aber letztlich kommt es dann immer darauf an, mit welchen Parametern man bei der Mittelfristplanung arbeitet.

In welchem Verhältnis stand der zeitliche Aufwand zum Ertrag?

Es gab schon «schampar» viel Papier. Bei der Vorbereitung der Sitzungen ging schon auch mal ein Wochenende drauf. Finanziell war mein Engagement für den SEV sicher kein Schaden, ich brauchte zwar etwas Arbeitszeit, aber es wurde auch ein grosser Teil des Sitzungsgeldes als Mandatsabgabe abgeschöpft. Zu meiner eigenen Vorbereitung habe ich im SEV viel mit den SBB-Spezialisten/ -Spezialistinnen gesprochen, um zu wissen, was läuft.

Kannst du etwas über konkrete Erfolge bei deiner Verwaltungsratstätigkeit sagen?

Der SBB-Verwaltungsrat funktioniert als Team – das ist schon ein Erfolg! Man muss sich zusammenraufen, es gibt selten Abstimmungen mit knappem Ausgang. Man kann sagen, dass die SBB nach diesen zwölf Jahren an einem andern Ort ist: «Bahn 2000», ein dichterer Fahrplan usw. Das ist auch ein Erfolg der Arbeit des Verwaltungsrates.

Kurz nach deiner Wahl zum Verwaltungsrat wurdest du in den Grossen Rat des Kantons Bern gewählt, letztes Jahr hast du nicht mehr für die Kantonslegislative kandidiert. Kannst du einen Vergleich ziehen zwischen der Arbeit im «strategischen Organ des Kantons » und dem «strategischen Organ des Unternehmens SBB»?

Es gibt eine Gemeinsamkeit: In beiden Gremien gibt es Dinge, die von aussen bestimmt werden! Aber die Art, wie Vorgaben umgesetzt werden, ist schon sehr unterschiedlich. Dies hängt natürlich auch mit der Grösse des Gremiums zusammen: 160 Leute, anfänglich sogar 200 im Grossen Rat, das ist viel ideologischer als im Verwaltungsrat, der eher sachbezogen arbeitet. In der Politik wird halt auch vieles «für die Galerie » gesagt .

Interview: pan.