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Mehr Lohngerechtigkeit ist möglich

Ja zu 1:12 am 24. November

Der Kampf für mehr Lohngerechtigkeit und gegen überrissene Abzockerlöhne geht in die letzte Runde. Am 5. November riefen Christian Levrat, Regula Rytz, David Roth und Giorgio Tuti im Namen von SP, Grünen, Juso und SGB zu einem Ja zur 1:12-Initiative auf. Jetzt geht es darum, dass alle Befürworterinnen und Befürworter ihre Stimme für mehr Lohngerechtigkeit auch tatsächlich abgeben.

Text von Giorgio Tuti, Vizepräsident SGB und Präsident SEV

Gerechte Lohnverteilung: Gemeinsam sind wir stärker

Im öffentlichen Verkehr ist die Sache so: Wenn die Mechaniker beim Warten der Busse schlampen, kann der Chauffeur am Morgen nicht losfahren. Wenn das Reinigungspersonal die Wagen nicht reinigt, wird das Reisen zur Qual. Wenn der Rangierer die Wagen nicht an die Lokomotive koppelt, funktioniert nichts mehr. Wenn das Personal im Stellwerk das Signal nicht auf Grün setzt, fährt der Zug nicht ab. Meine Damen und Herren, die Leute in den Betrieben arbeiten als Team. Überall. Kein Chef kann alleine im Büro sitzen und Erfolg haben.

Und das war in der Geschichte schon immer so: Kein Pharao hat seine Pyramide alleine gebaut, kein König hat sein Reich alleine verwaltet, kein Fabrikherr hat das Garn alleine gesponnen. Und kein UBS-Topmanager hat die Bankbüchlein der Einwohner dieses Landes alleine geführt. Immer brauchte es ein Team. Darum hat unsere Gesellschaft, als die Herrschaft der Könige und Fürsten überwunden war, begonnen, die Früchte dieser gemeinsamen Arbeit gerechter zu Verteilen. Jeder bekam etwas vom Kuchen, die einen kleinere Stücke, die anderen grössere.

Dann ist das Zeitalter der Topmanager angebrochen. Einige wenige haben wieder damit begonnen, sich immer grössere und grössere Stücke vom Kuchen abzuschneiden. Dank Bonussystemen schanzten sich die Manager die grössten Anteile zu. Die einfachen Angestellten speisten sie mit bescheidenen Grati ab und drückten bei den Fixlöhnen auf die Bremse.

Das bestverdienende Prozent konnte zwischen 1996 und 2010 seinen Lohn um mehr als 6550 Franken steigern während der mittlere Lohn (Median-Lohn) nur um 385 Franken gestiegen ist. Pro Monat! Das zeigen die Zahlen der Lohnstrukturerhebung des Bundes. Schuld für diese Lohnschere sind vor allem die Bonuszahlungen: Sie haben sich im selben Zeitraum von 2 auf 10 Milliarden verfünffacht. Das Gros davon  ing ans Topmanagement.

Leider macht diese Entwicklung auch vor den öffentlichen Betrieben nicht halt. So sind die Topmanager-Löhne bei der Swisscom seit 1996 um über 500% angestiegen und bei der Post und der SBB um über 300%. Das zeigt das Kaderlohnreporting des Bundes. Diese Entwicklung der letzten 20 Jahre ist bekannt, und niemand kann sie bestreiten.

Fakt ist auch: Die kleinen Kuchenstücke, die 1er-Stücke, sind oft unanständig klein. Sie reichen oft nicht, um eine Familie zu ernähren, sie reichen nicht, um die Krankenkassenprämien zu bezahlen und sie reichen nicht, um die steigenden Mieten zu bezahlen.

Für uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ist klar: Jede und jeder muss einen fairen Anteil vom Kuchen bekommen! Wenn dies nicht mehr gegeben ist, muss gehandelt werden. Das ist in unserem Land, in unserer Wirtschaft möglich - dank der direkten Demokratie und den Gewerkschaften: Mit 1:12, mit anständigen Mindestlöhnen und mit Lohnverhandlungen zwischen Sozialpartnern im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen, können wir für eine gerechtere Lohnverteilung sorgen.

Zuerst nun stoppen wir mit 1:12 die Unersättlichen, die sich nicht zu benehmen wissen. 1:12 schafft dabei auch einen Anreiz, die kleinsten Kuchenstücke zu vergrössern. Denn je höher die  tiefsten Löhne, desto mehr Lohn gibt es für die Topmanager. Das macht 1:12 besser als ein von Politologen gefordertes Verbot von Löhnen über einer Million Franken. Mit 1:12 lassen wir die Zeiten hinter uns, als der Anreiz für die Topmanager gross war, die kleinsten Kuchenstücke noch kleiner zu machen, um selber ein 350mal grösseres Stück einzustreichen.

Das ist der Kern von 1:12: Alle im Team, alle im Unternehmen haben etwas zum Erfolg beigetragen. Darum sollen alle einen fairen Anteil am Gewinn erhalten. Für die Gewerkschaften ist und war schon immer klar: Gemeinsam sind wir stärker.