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Nur noch elektronische Lohnabrechnung?

(c) Pexels.com/Michael Burrows

Kann der Arbeitgeber entscheiden, mir die monatliche Lohnabrechnung nur noch elektronisch zuzustellen oder habe ich das Recht, eine Kopie auf Papier zu verlangen?

Buschauffeur Goran ist ziemlich sauer: Seit anfangs Jahr hat sein Arbeitgeber ein Computersystem eingerichtet, mit dem er die monatliche Lohnabrechnung seinen Mitarbeitenden nur noch – gesichert – auf elektronischem Weg zustellt. Goran mag Computer nicht und kommt mit ihnen auch nicht klar. Er kann die Abrechnungen trotz Bemühungen seinerseits nicht abrufen und damit auch nicht mehr überprüfen. Er möchte daher wissen, ob der Arbeitgeber ihm diese Übermittlungsmethode aufzwingen kann, auch wenn ihm daraus Schwierigkeiten erwachsen.

Gemäss Art. 323b Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmenden eine schriftliche Lohnabrechnung zu übergeben, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist. Das Ziel dieser Bestimmung ist es, den erhaltenen Lohn überprüfen zu können. Es ist zwar nicht festgelegt, wie oft diese Abrechnung gemacht werden muss, jedoch ist die monatliche Abrechnung, besonders für Arbeitnehmende, deren Lohn aufgrund unregelmässiger Arbeitseinsätze variiert, notwendig. Das ist auch bei Goran der Fall, der regelmässig an Wochenenden und nachts arbeitet.

Gemäss Art. 321d Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber nicht nur über die Ausführung der Arbeit allgemeine Anordnungen treffen, sondern den Arbeitnehmenden auch besondere Weisungen erteilen. Arbeitnehmende sind ihrerseits verpflichtet, diese Anordnungen und Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen. Die Treuepflicht bedeutet, dass die angestellte Person jedes Verhalten unterlassen muss, das den Arbeitgeber in seinen berechtigten Interessen beeinträchtigen könnte. Diese Pflicht ist von der ausgeübten Tätigkeit abhängig und besteht nur für die Aufgaben, die für die Ausübung der vertraglichen Funktion erforderlich sind.

Die Einrichtung eines Computersystems für die Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber ergibt sich in erster Linie aus wirtschaftlichem Interesse: Der physische Versandprozess entfällt, was Zeit und Kosten spart. Der Arbeitgeber könnte also argumentieren, dass Arbeitnehmende das elektronische Versandsystem aufgrund ihrer Treuepflicht zu akzeptieren haben, weil es dem wirtschaftlichen Interesse der Firma entspricht. Man kann demgegenüber aber auch gut die Meinung vertreten – was der SEV auch entschieden tut – dass diese Auslegung der Treuepflicht zu weit gefasst ist. Sie hat ihre Grenze immer beim Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmenden und in einem konkreten Bezug zur ausgeübten Arbeit. Im konkreten Fall kann sich der Arbeitgeber wegen einer Ersparnis im administrativen Ablauf schlecht auf die Treuepflicht berufen, wenn damit eine Behinderung für Arbeitnehmende entsteht, die ihre Lohnabrechnung überprüfen wollen. Auch wenn die Zeit- und Kosteneinsparungen durch Digitalisierung real sind und in Unternehmungen ihren Platzhaben, erscheint es daher angemessen und sogar notwendig, die Lohnabrechnung weiterhin in gedruckter Form auszuhändigen, wenn dies von Arbeitnehmenden gewünscht wird.

SEV-Rechtsschutzteam
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