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Swissport Genf

Einigung auf einen Krisen-GAV

Natürlich ist am Genfer Flughafen nicht plötzlich alles rosig geworden. Doch nach monatelangem Kampf, in dem die Swissport-Geschäftsleitung gegenüber berechtigten Forderungen des Personals taub blieb, scheint sie nun endlich verstanden zu haben, dass sich die Mitarbeitenden am Boden nicht beliebig als Krisenpuffer missbrauchen lassen. Denn ohne sie hebt kein Flugzeug ab.

Der dreistündige Warnstreik eines Teils der Beschäftigten am 14. Juli, der zu erheblichen Beeinträchtigungen des Flugverkehrs führte, veranlasste die Unternehmensleitung zur Unterzeichnung eines Krisen-GAV. Obwohl der SEV den Streik nicht ini tiiert hat, zeigte er sich angesichts der Angriffe auf die Arbeitsbedingungen durch Swissport im Januar solidarisch und unterstützend.

Der innerhalb von 48 Stunden ausgehandelte und von der Versammlung mit grosser Mehrheit (87 %) angenommene Krisen-GAV gibt dem Personal frühere Errungenschaften teilweise zurück und enthält insbesondere neue Zulagen, darunter eine Covid-Härteprämie und die Ausweitung der Zulage für das Lastentragen auf die Hilfskräfte. Die Vereinbarung sieht insbesondere auch zusätzliche Prämien für die Abfertigung vor. Und sie stellt den Beitrag des Unternehmens an die Krankenversicherungsprämien (200 Franken pro Monat) wieder her, den aber nur die Festangestellten erhalten.

Der Krisen-GAV wurde für eine Dauer von neun Monaten abgeschlossen, rückwirkend vom 1. Juni bis zum 28. Februar 2022. Die Verhandlungen über einen endgültigen GAV sollen im Oktober starten.

Anfang Jahr zwang die Swissport-Geschäftsleitung den 1000 Beschäftigten unter Ausnutzung eines Vertragsvakuums und unter dem Vorwand der Covid-Pandemie neue Arbeitsverträge auf. Die Folge war eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Löhne. In einem durch die Krise verödeten Flughafen gelang es den Beschäftigten nicht, die Leitung mit Demonstrationen zum Einlenken zu bewegen. Am 1. Juni traten die neuen Verträge mit voller Wucht in Kraft. Aber nicht für lange. Die Wiederaufnahme des Verkehrs in diesem Sommer hat die Situation verändert und dem Streik eine neue Bedeutung verliehen. Die Gewerkschaften stellten ihr Schadenspotenzial unter Beweis – eine Botschaft, die das Management zu Beginn der Ferien, als wieder mehr Leute verreisten, bestens verstand.

Für Pablo Guarino, den für den Flughafen zuständigen Gewerkschaftssekretär von SEV-GATA, «stellt diese Vereinbarung die Errungenschaften wieder her, die aus den Einzelverträgen von Swissport gestrichen wurden, vor allem die Beteiligung an der Krankenkasse. Sie sieht Ausgleichsmassnahmen für Mitarbeitende vor, die die grössten Lohneinbussen hinnehmen mussten. Sie verbessert andere, bereits bestehende Massnahmen (gekürzte Touren, Jahresarbeitszeit), führt wieder einen Rahmen zur Begrenzung des Einsatzes von Hilfskräften ein (mit einer Obergrenze von 1400 Stunden pro Jahr) und gilt Belastungen durch strenge körperliche Arbeit oder Spannungen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie gerechter ab (neuer Saisonzuschlag).»

Die Vereinbarung ist bei weitem nicht perfekt, da Swissport die Lohnkürzungen und die Erhöhung der Arbeitszeiten beibehalten hat und nicht alle legitimen Bedürfnisse der Arbeitnehmenden erfüllt. Doch sie «ist ein Zeichen des guten Willens des Unternehmens, den sozialen Dialog wieder aufzunehmen und Forderungen des Personals zu berücksichtigen», erklärt Guarino.

In einer Vollversammlung beschloss die Belegschaft, die Vereinbarung anzunehmen in der Hoffnung, dass sie nach Beendigung der Krise zu angemessenen Arbeitsbedingungen zurückkehren kann. «Es warwichtig, dass sich die Geschäftsleitung auch verpflichtet hat, ab Oktober Verhandlungen aufzunehmen, um einen langfristigen GAV abzuschliessen», betont Pablo Guarino.

Yves Sancey / Übers. Markus Fischer
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Kommt eine Branchenlösung?

Am Flughafen Genf stehen Swissport und Dnata in einem harten Wettbewerb. Die Fluggesellschaften schreiben die Bodenabfertigung regelmässig aus, was die Arbeitsbedingungen belastet. Diesen ungesunden Wettbewerb könnte ein Branchen-GAV begrenzen. Eine von der Zeitung «Le Courrier» publizierte Untersuchung der Behörden ergab, dass die Löhne von Festangestellten und Hilfskräften erheblich auseinanderklaffen, was auf missbräuchliches, wiederholtes Lohndumping hindeutet. Der Kanton Genf steht daher in der Verantwortung, diese Branche zu regulieren. Die Gewerkschaften hoffen, dass der Kanton die Arbeitsbedingungen der am prekärsten Beschäftigten verbessert.

Der Kanton hat die Sozialpartner aufgefordert, einen Branchen-GAV auszuhandeln, und hat ihnen eine Frist bis Anfang September gesetzt, um eine Lösung zu finden. Kommt diese nicht zustande, lässt er einen Normalarbeitsvertrag ausarbeiten.